Im Porträt Ex-Klinikchef Francesco De Meo fordert eine Wende im Gesundheitswesen

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Francesco de Meo bei einem Interview
Francesco De Meo gehörte zu Deutschlands Spitzenmanagern und -managerinnen in der Gesundheitsbranche Bild: Francesco de Meo

Francesco De Meo hat viele Jahre die Klinikgruppe Helios geleitet. Ein Karriereweg, der nicht vorgezeichnet war, denn als Migrantenkind ist er in Armut aufgewachsen und musste von klein auf mit anpacken. In seinem Buch "Den schlafenden Riesen wecken" beschreibt der Gesundheitsmanager die besorgniserregenden Zustände im deutschen Gesundheitssystem.

Francesco de Meo bei einem Interview

Gesprächszeit Arbeiterkind und Gesundheitssystem-Kritiker: Ex-Klinikchef Francesco De Meo

Francesco De Meo hat viele Jahre die Klinikgruppe Helios geleitet. Nun hat er ein Buch über notwendige Veränderungen im deutschen Gesundheitssystem geschrieben.

Bild: Francesco de Meo

Francesco De Meo kennt die Stärken und auch die Schwächen des deutschen Gesundheitswesens. Als langjähriger Chef einer der größten Klinikbetriebe Deutschlands hat er viele Ideen, wie man das Gesundheitswesen reformieren könnte. Karl Lauterbachs Krankenhausreform hält er allerdings für eine Mogelpackung: "Das bedeutet, dass in der Packung nicht drin ist, was drauf steht. Karl Lauterbach hat draufgeschrieben: Bessere Qualität, weniger Bürokratie und weniger Ökonomie. Und drin ist: Mehr Bürokratie, schlechtere Versorgungsqualität und am Ende sogar mehr wirtschaftlicher Druck für die Kliniken."

Wir haben die Versorgungsprobleme vor Ort.

Francesco De Meos Grund, warum regional und lokal nach Lösungen gesucht werden muss

De Meo schlägt vor, das Gesundheitssystem vom Kopf auf die Beine zu stellen. Denn in Berlin, sagt er, können nicht alle Entscheidungen getroffen werden. Dazu seien die Voraussetzungen für Krankenhäuser in Deutschland einfach zu unterschiedlich: "Wir haben die Versorgungsprobleme vor Ort, wir kennen die Versorgungsprobleme vor Ort." Er schlägt vor, dass der Bund nur auf Qualität achtet und gesundheitliche Schwerpunkte formuliert. Zum Beispiel Ziele, dass es weniger Herztote oder weniger Diabetes-Erkrankungen geben solle. Die Länder und Kommunen dagegen müssten die ambulante und stationäre Versorgungsstruktur im Blick haben: "Man kann es im Grunde nur in regionalen Lösungen besser machen und dann insgesamt verbessern für Deutschland." Was machen andere Länder besser? "Es gibt keine Sektorengrenze zwischen ambulant und stationär. Das ist ein wesentlicher Unterschied", so De Meo. "Das heißt, man hat nicht diese starken Mauern bei der Behandlung von Menschen."

Deutschland ist Spitzenreiter bei den Ausgaben

Auch das Geld müsse besser verteilt werden: "Das ist das Bittere: Wir sind Spitzenreiter beim Geldausgeben und wir sind ziemlich schlecht in der Qualität." Ein Problem sei, dass es viele große Geldtöpfe nebeneinander gebe, die nicht koordiniert seien. Für Patientinnen und Patienten oft ein Nachteil. Denn für ein und dieselbe Erkrankung macht es einen Unterschied in der Versorgung, ob das Geld aus der Rentenversicherung, Kranken- Unfall oder Pflegeversicherung kommt. "Es ist der gleiche Mensch, es geht um ein Bedürfnis und je nachdem, bei welchem Geldtopf Sie das ansiedeln können, wird es unterschiedlich gehandhabt. Und wenn Sie Pech haben, werden Sie einmal durch alle vier Geldtöpfe gereicht, weil keiner bezahlen will."

Als Kind musste Francesco de Meo mitverdienen

Eine Karriere als Klinik-Manager ist Francesco De Meo nicht in die Wiege gelegt worden. Aufgewachsen ist er in den Sechziger und Siebziger Jahren in einer Gastarbeiterfamilie auf der Schwäbischen Alb. Sein Vater fand Arbeit als Zuschneider im Texilbereich, seine Mutter war Lohnnäherin. Auch fürs Rumstromern mit Gleichaltrigen hatte De Meo, der in der Schule als "Spaghettifresser" und "Itaker" beschimpft wurde, wenig Zeit. Schon als Siebenjähriger trug er vor der Schule Zeitungen aus, um zum kargen Familieneinkommen beizutragen. Nach der Schule und den Hausaufgaben ging es mit dem Paketeverladen weiter. "Es war für mich eine Selbstverständlichkeit, weil es war komplett klar, dass jeder hilft wie er kann."

Nur selten brachte er einen Mitschüler nach Hause

Dank der Empfehlung einer Lehrerin durfte er aufs Gymnasium gehen, doch auch dort wurde das Leben nicht einfacher für den heranwachsenden Teenager. "Am Gymnasium war das in der Tat noch ein Stück anstrengender. Weil so gewisse Statussymbole eine Rolle spielten, die ich nicht erfüllen konnte", erinnert sich der heute 61-Jährige. Nur selten traute er sich, jemanden mit nach Hause in die ärmlich ausgestattete Wohnung zu bringen: "Ich dachte, wenn die anderen das sehen, stufen die mich runter." Auf der anderen Seite lernte er zu Gast bei seinem Freund, dessen Vater Notar war, die höhere Gesellschaft kennen. Dort aß man mehrere Gänge und er guckte sich schnell ab, wie er mit dem vielen Besteck umzugehen hatte: "Das war nicht nur eine Überlebensstrategie, sondern eine Erfolgs- und Karrierestrategie. Die Anpassung war für mich damals das probate Mittel, in die Gesellschaft zu kommen."

Aufstieg bis an die Spitze des Klinikkonzerns Helios

Mit 20 hat De Meo Jura studiert, nach dem zweiten Staatsexamen hat er sogar promoviert. Als er 36 Jahre alt war, stieg de Meo bei Helios ein. Nach sechs Monaten wurde er einer von fünf Geschäftsführern, verdiente 400.000 Euro plus Boni im Jahr und machte als unternehmerischer Paradiesvogel von sich reden. Als Klinikchef tauchte er durchaus in Jeans statt im Anzug zur Aufsichtsratssitzung auf und verzichtete auf Vorzimmer, Sekretärin und Chauffeur. Er gab Orientierung, fällte strategische Entscheidungen und wurde für das Unternehmen zu einer Art Vaterfigur.

Ich bin froh, dass ich jetzt meinen Weg wieder gehen kann.

Francesco De Meo über seinen Rauswurf bei Helios

Doch im letzten Jahr, 2023, wurde er schließlich aus dem Konzern rausgeworfen. "Es war schon erkennbar, dass es nicht mehr ganz passte. Man tut sich halt schwer, wenn man ein bisschen die Vaterfigur ist, dann loszulassen." Doch inzwischen ist die Trennung von Helios "Schnee von gestern" und ein Stück Befreiung für den Gesundheitsmanager: "Im Nachhinein betrachtet war es das Beste was mir passieren konnte", sagt er rückblickend. Heute berät der Patchwork-Vater von zehn Kindern andere Kliniken und Start-Ups und könnte sich sogar vorstellen, in die Politik zu gehen. Aber weil die Parteipolitik ihm nicht liegt, bleibt er lieber in seinem Fach.

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 2. Dezember 2024, 18:05 Uhr

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