Im Porträt Lippenstift und Schnauzer: Für Kim de l'Horizon kein Widerspruch

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Will nach den Buchpreis-Erfolgen in Deutschland und der Schweiz unbedingt weiterschreiben: Kim de l'Horizon Bild: dpa | Arne Detert

Kim de l’Horizon identifiziert sich weder als Mann noch als Frau und hat als erste nichtbinäre Person im Herbst den Deutschen Buchpreis gewonnen. Bei der Verleihung sah das Publikum eine nie dagewesene Performance mit Gesang und Kopfrasur aus Solidarität mit den Frauen im Iran. Dabei ging fast ein bisschen unter, dass der preisgekrönte Roman "Blutbuch" ein funkensprühendes Sprachkunstwerk ist.

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Gesprächszeit "Ich will eigentlich fast nie provozieren" – Kim de l'Horizon

Kim de l’Horizon identifiziert sich weder als Mann, noch als Frau und ist die erste nichtbinäre Person, die mit "Blutbuch" den Deutschen Buchpreis gewonnen hat.

Bild: dpa | Arne Detert

Kim de l'Horizon schreibt Literatur und Theaterstücke, lebt in der Schweiz, kommt nach eigenen Angaben aber aus der Zukunft. Geboren im Jahr 2666, auf einem anderen Planeten namens Gethen: "Ich bin hier gelandet, mit ganz viel Tempo, und irgendwie so auf dem Zahnfleisch im Schmutz dieser Erde gelandet."

Für mich ist Schminke der Versuch, Freude zu haben an meinem Körper, an meiner Lebendigkeit.

Kim de l'Horizon über Make-Up


Kim de l’Horizon bezeichnet sich als "trans", "genderfluid" oder auch "nonbinär". Also: Nicht Mann und nicht Frau. Äußerlich drückt de l'Horizon dies zum Beispiel durch das gleichzeitige Tragen von Lippenstift und Lidschatten zum Schnauzbart aus. "Für mich ist Schminke vor allem der Versuch, Freude zu haben an meinem Körper, an meiner Lebendigkeit."

Kim de l´Horizon: Privates bleibt privat

Von Kim de l'Horizons Lebensgeschichte gibt es nur wenig, was nach außen dringt. Bekannt ist ein Studium der Literatur- Film und Theaterwissenschaften, außerdem ein Studium des Literarischen Schreibens am bekannten Schweizer Literaturinstitut in Biel sowie Transdisziplinarität an der Hochschule für Künste in Zürich. "Ich glaube, dass in unserer Gesellschaft eine sehr enge Vorstellung davon herrscht, was ein 'Ich' ist, was ein Leben ist, was eine Biografie ist. Und ich will gegen die Vorstellung, was ein "Ich' ist, was ein Leben ist, anschreiben."

Statt öffentlich über Privates zu reden, verarbeitet Kim de l'Horizon dies im autofiktionalen Debütroman "Blutbuch" – ein queerer Generationenroman mit Parallelen zu Kim de l'Horizons eigenem Leben. Wie aus dem Nichts ist es in die Literaturwelt gekracht als es erst mit dem Deutschen und anschließend mit dem Schweizer Buchpreis ausgezeichnet wurde. Zehn Jahre hat Kim de l'Horizon daran geschrieben. Die nonbinäre Hauptfigur heißt ebenfalls "Kim" und wird von Mutter und Großmutter in einer langweiligen Siedlung großgezogen. Erst versucht "Kim", die eigene Geschichte zu erklären – den Kampf, sich für ein Geschlecht entscheiden zu müssen und es doch nicht zu können. Dann zieht es "Kim" aber immer tiefer rein in eine familiäre Grabungsgeschichte.

In Geschichten, Filmen, Werbungen sind wir nicht vorgenommen.

Kim de l'Horizons Erklörung, warum queere Menschen oft autofiktional schreiben

Im Roman "Blutbuch" heißt es sinngemäß, dass queere Menschen oft autofiktional schreiben. Kim de l’Horizon erklärt das so: "In Geschichten, Filmen, Werbungen – also in dem was bisher gezeigt wurde, was für Körper es gibt – da sind wir nicht vorgenommen." Kim de l‘Horizon geht es gut damit, sich zu entfalten und lebt im Frieden mit sich. Mit extravaganten, leuchtend bunten Kleider macht Kim sich frei von den Erwartungen der Mehrheitsgesellschaft.

Make-Up als kreatives Spiel und Rüstung

Oft ist es das Make-Up – für Kim de l’Horizon ein kreatives Spiel – das andere Menschen triggert. Provozieren wolle er damit nie: "Das ist einfach meine Rüstung. Ich musste einfach wahnsinnig viel Selbstwertschätzung aufbauen, um all diesen Scheiß machen zu können, den ich mache, um mich schön zu finden. Und all den Scheiß, der dann darauf folgt, aushalten zu können. Ich glaube, das ist so eine Haltung von 'I do it my way, bitches'. Und das kann als provokativ aufgefasst werden." Menschen, die beleidigend sind oder queeren Menschen gar die Daseinsberechtigung absprechen, begegnet Kim de l’Horizon manchmal wütend, aber sehr oft auch verständnisvoll: "Wut ist wichtig. Aber Hass? Ich meine einfach, viel zu verstehen, wieso die Person mir weh tun will. Weil sie so stark leidet und ich die Wunde bin, die sie zu verdrängen versucht."

Ich will eigentlich fast nie provozieren.

Kim de l'Horizon über seine Außenwirkung

Eine wichtige Rolle im Roman "Blutbuch" und auch in Kim de l’Horizons Leben spielen Hexerei und Rituale. Eine Person, die sich "Starhawk" nennt, unterrichtet Kim de l’Horizon: "Da geschieht so ein wahnsinniger Prozess und das ist genau das, was das Hexerische für mich ist: Eine Form, um bewusst zu werden, achtsam zu werden und anwesend zu werden mit den Dingen, die da sind. Und dann konkret in ein Handeln zu kommen." Manchmal ruft Kim de l'Horizon dann eine bestimmte Person an oder hat eine Idee, was mit einer bestimmten Sache zu tun ist. Wenn es gelingt, im Moment zu sein, ist für de l’Horizon das Ziel erreicht: "Ich bin oft glücklich."

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 28. April 2023, 18:05 Uhr

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