Im Porträt Diese Studentin eröffnete Deutschlands erste Schwarze Kinderbibliothek

Autorin

Gründerin der ersten Schwarzen Kinderbibliothek in Bremen
Bild: Lieselotte Scheewe

Die Bremer Studentin Maimuna Sallah hat gemeinsam mit Co-Leitung Sheeko Ismail eine in Deutschland einzigartige Bibliothek eröffnet: Hier sind Schwarze Kinder und Jugendliche die Hauptfiguren der Bücher. Ein Ort, der Vorurteilen und Rassismus auf konstruktive Weise begegnet.

Maimuna Sallah vor der Schwarzen Kinderbibliothek in Bremen

Maimuna Sallah ist Co-Leitung der Schwarzen Kinderbibliothek in Bremen

Maimuna Sallah hat gemeinsam mit Sheeko Ismail eine Bibliothek eröffnet, in deren Büchern Schwarze Kinder und Jugendliche die Hauptfigur sind. Das Projekt ist in Deutschland bislang einzigartig.

Bild: Lieselotte Scheewe

"Das Buch haben wir auch, Mama, guck mal! Mama, das Buch ist schön. Ich will das Buch ansehen!" Ein kleines Mädchen steht mit ihrer Mutter vor einem Bücherregal in einem Eckhaus im Bremer Viertel. Durch die großen Schaufenster scheint die Sonne hinein. An den Seiten stehen Regale mit Bilderbüchern, an den Wänden hängen Poster und bunte Wimpelketten.

Lesesessel, Sofa, Spielecke und Pflanzen – es ist hier sehr gemütlich. "Komm rein, schau dich um und mach es dir bequem", scheint dieser Raum zu sagen. Das spüren auch die Kinder, die in die Schwarze Kinderbibliothek kommen. Das Mädchen blättert durch eines der Bilderbücher und ruft: "Das Buch über die Haare haben wir auch, das Buch, wo die Mamas die Haare machen."

"Wir wollen, dass sich Kinder repräsentiert sehen. Und das nicht nur als Randfigur, sondern eben auch mal als Held in einer Geschichte."

Maimuna Sallah über ihr Projekt

Vorn am Eingang sitzt die Studentin Maimuna Sallah. Sie hat die Schwarze Kinderbibliothek gemeinsam mit Sheeko Ismail initiiert. "Es gibt Kinder, die reinkommen und explizit auf ein Buch zurennen und sagen ‚Guck mal, Mama, Papa, das Kind sieht aus wie ich.‘ Und das sind dann Momente, die uns besonders freuen, weil wir genau das ja irgendwie versuchen wollen mit dieser Bibliothek zu erreichen. Dass sich Kinder repräsentiert sehen können. Und das nicht nur als Randfigur, sondern eben auch mal als Held in einer Geschichte", erzählt sie.

Schwarze Kinderbibliothek Bremen
Die Schwarze Kinderbibliothek erinnert an ein gemütliches Wohnzimmer. Bild: Lieselotte Scheewe

Damit das gelingt, investiert die Studentin viele Stunden in das Projekt. Finanziert wird ihre Arbeit zum Teil von der Stadt Bremen. Viele Stunden arbeiten Maimuna Sallah und Sheeko Ismail dort aber auch ehrenamtlich.

Denn die Buchausleihe ist längst nicht alles, was sie auf die Beine stellen. Sie organisieren Lesungen, Workshops und kleine Community-Events. "Die Idee hatte tatsächlich Co-Leitung Sheeko Ismael, mit der ich das Projekt zusammen mache. Sie kam durch eine Bildungsreise nach Frankreich darauf, wo es schon eine Schwarze Kinderbibliothek gab", erzählt Maimuna Sallah. Im Mai 2022 entstand also das Projekt. Angefangen hat es mit einem einzelnen Bücherregal. Die Bibliothek in der Mathildenstraße als festen Ort gibt es seit Anfang des Jahres. Schulen und Kindergärten können dort hinkommen und jeder und jede, die möchte.

Schwarze Kinderbibliothek ermutigt, sich nicht unterkriegen zu lassen

Die 31-Jährige geht zu einem der Regale und zieht ein Buch heraus. "Das hier finde ich eigentlich sehr, sehr schön. Lucias Leuchten heißt es, von Ian de Haes". In dem Buch geht es um ein kleines Mädchen, das mit einem besonderen Leuchten geboren wird. "Im Subtext geht es sehr viel um Empowerment und darum, dass jeder Mensch besonders ist. Und es soll, glaube ich, Kindern sehr viel Mut geben, sich einfach nicht unterkriegen zu lassen. Sich nicht sagen zu lassen, man sei nichts Besonderes."

Im Regal daneben steht das Buch "Wenn meine Haare sprechen könnten". Die Autorin Dayan Kodua war vor Kurzem zu einer Lesung in der kleinen Bremer Bibliothek. "Da geht es sehr viel um Afrohaar, aber auch um Grenzsetzung", erzählt Maimuna Sallah. Dem Mädchen im Buch fasst jemand ungefragt in die Haare. Sie möchte das nicht und fühlt sich danach nicht gut. "Das finde ich irgendwie sehr lebensnah. Da finde auch ich mich tatsächlich wieder. Gleichzeitig ist es eine Geschichte, die versucht, Kinder für Grenzen zu sensibilisieren. Deswegen glaube ich, dass alle Kinder damit was anfangen können", sagt Sallah.

Ein Ort nicht nur für Kinder mit Schwarzer Hautfarbe

Denn die Bibliothek ist nicht nur ein Ort für Kinder mit schwarzer Hautfarbe. Viele der Bücher verhandeln Schwarzsein als Thema, aber nicht grundsätzlich oder auch nicht ausschließlich. Es gibt auch ganz viele andere Themen: Geschlechtsidentität, Familienform, Religionszugehörigkeit. Außerdem eine kleine Auswahl an Erwachsenenliteratur: Fachbücher zu den Themen Anti-Rassismus, Dekolonialisierung und Empowerment. Außerdem können Besucher und Besucherinnen in Romanen oder Gedichtbänden Schwarzer Autorinnen und Autoren blättern.

"Es gibt eine Menge Bücher und deswegen kann man nicht mehr sagen, dass wir irgendwie etwas "Nischiges" wären."

Maimuna Sallah über Schwarzsein in der Literatur

Seit ihrer Kindheit liest Maimuna Sallah viel und gern. Sie hat Germanistik und Philosophie studiert und macht im Moment einen Master in Transnationaler Literaturwissenschaft. Mit der Schwarzen Kinderbibliothek möchte sie zeigen, wie viel Literatur es von und über schwarze Menschen gibt: "Es gibt eine Menge Bücher, es gibt auch eine Menge Übersetzungen, die in den letzten Jahren dazugekommen sind, tatsächlich aus dem Englischsprachigen. Und deswegen kann man nicht mehr sagen, dass das irgendwie etwas „Nischiges“ wäre oder dass wir was anbieten, was überhaupt nicht greifbar ist", erzählt sie. Die Literatur sei aber einfach nicht sehr sichtbar. "Und mit diesem Ort wollen wir so ein bisschen dagegen angehen."

Maimuna Sallah vor der Schwarzen Kinderbibliothek in Bremen
Die Schwarze Kinderbibliothek im Eckhaus in der Mathildenstraße lädt auch zu Veranstaltungen ein. Bild: Lieselotte Scheewe

Während Maimuna Sallah einige ihrer Lieblingsbücher zeigt, stöbern auch die Kinder, die an diesem Tag in die kleine Bücherei gekommen sind, in den Regalen. "Warum haben die die Augen zu?", fragt eines der Mädchen ihre Mutter und kommt schon selbst auf die Antwort: "Ah. Die denken nach. Die denken daran, was sie mal sein wollen. Pirat, Arzt, Trompeter."

Schwarze Kinderbibliothek begegnet Rassismus konstruktiv

Mit der Schwarzen Kinderbibliothek im Eckhaus in der Mathildenstraße haben Maimuna Sallah und Sheeko Ismail einen Ort geschaffen, der Vorurteilen und Rassismus auf konstruktive Weise begegnet. "Ich denke nicht, dass wir noch miterleben, dass wir Rassismus abschaffen. Dafür ist er einfach viel zu stark und zu verstrickt mit anderen Diskriminierungsformen, die Menschen weltweit ausbeuten und unterdrücken", sagt Maimuna Sallah. Dennoch möchte sie mit ihrer Arbeit etwas verändern. "Ich wünsche mir, dass sich die Bibliothek für Menschen wie ein guter Ort anfühlt. Dass Kinder hierher kommen und etwas mitnehmen. Und sei es nur, dass sie sich inspiriert fühlen oder dass sie sich selbst ermächtigen können."

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 25. August 2023, 13:40 Uhr

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