Im Porträt Darum mag Olga Grjasnowa Sprachbarrieren

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Olga Grjasnowa
Olga Grjasnowa war zu Gast bei den Bremen Zwei-Live-Gästen Bild: Radio Bremen | Florian Bänsch

Olga Grjasnowa hat ein neues Buch vorgelegt. In "Juli, August, September" schlägt sich Hauptfigur "Lou" mit ihrem zerstrittenen ex-sowjetischen Familienclan herum.

Olga Grjasnowa
Olga Grjasnowa

Gesprächszeit Olga Grjasnowa über ihr neues Buch "Juli, August, September"

Olga Grjasnowa hat ein neues Buch vorgelegt. In "Juli, August, September" schlägt sich Hauptfigur "Lou" mit ihrem zerstrittenen ex-sowjetischen Familienclan herum.

Bild: Radio Bremen | Anja Robert

Wie die Hauptfiguren in ihren Romanen ist Olga Grjasnowa weit herumgekommen: Geboren in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku, geflohen nach Deutschland, Stadtschreiberin in Rio de Janeiro und "Writer in Residence in Oxford" mit längeren Aufenthalten in Polen, Russland, der Türkei, den USA und Tel Aviv. Sie lebte lange in Berlin und ist heute Professorin am Institut für Sprachkunst in Wien. Und doch sagt sie von sich selbst:"Ich weiß gar nichts. Ich hab auch überhaupt keine Entwürfe, sondern immer nur ein einziges Word-Dokument. Und dann entwickelt es sich nach und nach zu einem Roman."

Nach 24 Bänden "Hanni und Nanni" ging es irgendwann!

Wie Olga Grjasnowa deutsch gelernt hat

Die Sommerhitze passt gut zu ihrem neuen Roman, der als Titel drei Sommermonate trägt: "Juli, August, September". Es ist die Geschichte einer modernen jüdischen Familie zwischen Berlin und Israel. Schon als Kind, vor der Reise aus Aserbaidschan nach Deutschland, hat die heute 39-jährige Olga Grjasnowa große Literatur wie Hemingway und Balzac geradezu aufgesogen. Doch als sie mit 11 Jahren nach Deutschland kam, musste sie erst einmal ganz schnell die Sprache lernen: "Durch das Nachmittagsfernsehen, und dann durch die lokale Bibliothek. Und ich glaube, nach 24 Bänden Hanni und Nanni ging es irgendwann!"

Durchbruch mit "Der Russe ist einer, der Birken liebt"

Zwei Frauen sitzen auf Sesseln auf einer Bühne und unterhalten sich
Mit Bremen Zwei-Moderatorin Katrin Krämer gab es viel zu besprechen. Bild: Radio Bremen | Anja Robert

Mit ihrem Debütroman "Der Russe ist einer, der Birken liebt" gelang Olga Grjasnowa ein phänomenaler Erfolg, gefeiert von Presse und Publikum zugleich. Heute, sagt sie, weiß sie oft schon gar nicht mehr, was drin steht. Und überhaupt: Warum werden eigentlich immer Autorinnen und Autoren gebeten, über ihr Werk zu reden? Dafür sind sie doch am wenigsten geeignet, findet Grjasnowa: "Die Autoren sind nicht immer die besten Auskunftgeber. Es fühlt sich auch gar nicht mehr an, als ob ich das geschrieben hätte, weil das Schreibende Ich über die Jahre ein vollkommen anderes geworden ist."

Der Zusammenbruch der Sowjetunion war für meine Familie schwierig.

Olga Grjasnowa über ihre Familiengeschichte

Ihr literarischer Werdegang führte sie nach Warschau, Leipzig, Istanbul, Beirut und Tel Aviv. Wenn sie schreibt, schreibt sie über nationale Identitäten und multikulturelle Erfahrungen, Krisen, über Klassenfragen innerhalb von Migration: "Der Zusammenbruch der Sowjetunion war für meine Familie schwierig, aber die Sowjetunion war schon lange vorher tot. Das große Trauma für viele Menschen im sowjetischen Raum liegt eher daran, wie der Staat aufgelöst wurde. Sehr vieles ist aufgeflammt. Im Prinzip haben die Menschen alles verloren."

Wann Sprachbarrieren ein Vorteil sein können

2013 lernt sie in Berlin ihren Ehemann kennen, er stammt aus Syrien und war in Deutschland eigentlich auch nur auf der Durchreise. "Wir sprechen zuhause Englisch", erzählt sie, und fügt schmunzelnd hinzu: "Ich bin ich ja auch ein großer Fan von Sprachbarrieren. Also grundsätzlich von Sprachbarrieren in Beziehungen. Man kann ziemlich viel nur auf die Sprache schieben und hat eine kleine Auszeit. Das ist ja die ganz große Frage, die mich auch im schriftstellerischen Bereich so interessiert. Was ist Romantik? Was nicht? Was davon ist Inszenierung oder Erwartungshaltung?"

Nichts was erzählt wird, ist ja so wie es passiert ist.

Olga Grjasnowa über "Juli, August, September"
Menschen auf Stühlen blicken in eine Richtung auf eine Bühne
Gut besucht: Die Bremen Zwei-Live-Gäste-Veranstaltung mit Olga Grjasnowa lockte viel Publikum an Bild: Radio Bremen | Anja Robert

Publishers Weekly nannte Olga Grjasnowa "eine kluge Chronistin moderner Verirrung". Der neue Roman "Juli, August, September" erscheint am 17. September. "Nichts was erzählt wird, ist ja so wie es passiert ist", sagt Olga Grjasnowa über ihr neues Buch. "Gerade in Familiengeschichten. Es gibt eine Version für die Kinder, dann gibt es eine Version für die größeren Kinder, und irgendwann weiß man selber nicht mehr was man überhaupt ausgelassen ist, was passiert war, und manchmal ist der Zug abgefahren und man kann es nicht mehr nachholen."

Im Schuhgeschäft fürs Leben gelernt

Grjasnowa studierte literarisches Schreiben in Leipzig und Tanzwissenschaft in Berlin. Nicht aus großem Interesse am Tanz – tatsächlich beschreibt sie sich als vollkommen unmusikalisch. Wichtig war das Studieren überhaupt. Vor allem in Berlin! Zwischendurch hat sie nebenbei Schuhe verkauft. Und ist davon heute geradezu begeistert: "Ich glaube ich habe tatsächlich da mehr gelernt als in der Schule! Das ist eine andere Realität, die man da vorgesetzt bekommt. Ich hab da zum ersten Mal gelernt, mich durchzusetzen. Dass Leute darauf hören, was ich sage."

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 7. September 2024, 11 Uhr

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