Auf der Bühne Grausam und spannend zugleich: "Waisen" am Stadttheater Bremerhaven
Standdatum: 8. April 2024.
Das Stück "Waisen" am Stadttheater Bremerhaven handelt davon, wie Gewalt entsteht und wie Gewalt die Welt dominiert. Das Drama des britischen Autors Dennis Kellys ist die letzte reguläre Schauspielpremiere vor dem Open-Air-Spektakel Ende Mai 2024.
Worum geht es?
Ein Unglück kommt selten allein. Es geht um eine Frau, Helen, die in einer unglaublichen Verkettung von Ereignissen zwischen ihrem Lebensgefährten Danny und ihrem Bruder Liam zuerst hin- und hergerissen ist, dann zerrissen wird und am Ende allein dasteht. Eine tragische Geschichte, die auch den Alltagsrassismus in der Beobachtung von Dennis Kelly zum Ende des ersten Jahrzehnts des neuen Jahrhunderts in Großbritannien aufgreift. Und es ist eine Geschichte, die sehr geschickt die Rollenverhältnisse herausarbeitet: Die Frau und ihr Bruder haben als Kinder ihre Eltern verloren und sind als Waisen aufgewachsen, wobei die Schwester damit offenbar besser umgehen konnte, als der Bruder. Die Schwester hat sich aber mit ihrem Mann auch nur in die vermeintlich heile Welt geflüchtet, und wird nun durch den Besuch des Bruders von der brutalen Realität eingeholt.
Was gab es zu sehen?
Marscha Zimmermann, Justus Henke und Henning Bäcker – diese drei Mitglieder des Stadttheater-Ensembles tragen die Handlung über fast zwei Stunden und der Spannungsbogen hält bis zur allerletzten Minute. Bis dahin wird es im positivsten Sinne von Minute zu Minute unerträglicher, dieser Geschichte zu folgen. Die Rollen sind perfekt besetzt und die Drei auf der Bühne geben wirklich alles und beweisen einmal mehr, dass nicht nur die Auswahl der Schauspiel-Stücke am Stadttheater Bremerhaven sich derzeit auf wunderbar-hohem Niveau befindet, sondern auch, dass es ein Ensemble im Haus gibt, das diesen Ansprüchen viel mehr als nur gerecht wird.
Was sagt unser Kritiker?
Die Inszenierung konzentriert sich auf die Figuren und die Handlung und vor allem den Text von Dennis Kelly in der Übersetzung von John Birke. Das gelungene Bühnenbild lieferte den passenden Rahmen und es ist große Kunst, so viel Spannung mit einem Kammerspiel zu erzeugen. Das ist dem Regieassistenten Florian Thiel, der während der Proben auch die Regie des Stücks übernommen hat, wirklich richtig gut gelungen. Die Fassung hatte nur in der ersten halben Stunde ein paar Längen und der Umgang mit der Musik als Szenewechsel-Zeitsprung-Element hatte etwas von Schultheater. Aber das hat meinen durchweg positiven Gesamteindruck nicht beeinträchtigt.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 6. April 2024, 10:10 Uhr