Frauengeschichte Warum Soldaten an beiden Fronten das Lied von Lale Andersen kannten

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Sängerin Lale Andersen an Deck eines Schiffes (bearbeitet)
Ihr Stück war für sie Fluch und Segen: Lale Andersen. Bild: Imago | IFTN/UnitedArchives

Manche Lieder kommen einfach genau zum richtigen Zeitpunkt. Genauso war es auch mit dem Lied, das zum wohl berühmtesten Soldatenlied im Zweiten Weltkrieg wurde – auf beiden Seiten der Front. Alle kannten es, die meisten liebten es. Und gesungen hat es eine Künstlerin aus Bremerhaven – Lale Andersen. Aber wie kam sie zu dem Lied und warum war es für sie Fluch und Segen zugleich?

Lale Andersen heißt eigentlich Liese-Lotte Helene Berta Bunnenberg. Sie wird 1905 geboren und wächst in Lehe auf, das damals noch nicht zu Bremerhaven gehört. Ihre Leidenschaft fürs Singen hat früh angefangen, erzählt sie: „Mein Vater war Seemann und ich wuchs da oben auf. Und es fing eigentlich schon an, dass ich in der Schule mit großer Liebe so kleine Plattdeutsche Volkslieder sangt und sie auch gern sang und scheinbar auch ganz gut.“

Frauengeschichten: Lale Andersen
Maler Paul Ernst Wilke und Lale Andersen. Bild: Kulturamt Bremerhaven

Jede freie Minute verbringt das Mädchen im Theater. Am liebsten umgibt sie sich mit Künstlerinnen und Künstlern – und lernt so auch den Bremerhavener Maler Paul Ernst Wilke kennen. Als die beiden heiraten, ist Liese-Lotte erst 17 Jahre alt. Das Paar bekommt kurz hintereinander drei Kinder.

Das war auch das Problem der Ehe, dass beide Parteien so ihr eigenes künstlerisches und menschliches Programm im Kopf hatten.

Bremerhavener Historiker und Musikwissenschaftler Rüdiger Ritter

Aber: Mutter sein und eine Künstlerinnenkarriere – das passt damals nicht gut zusammen, sagt der Bremerhavener Historiker und Musikwissenschaftler Rüdiger Ritter: „Kinder haben da brutal gesagt eher gestört. Aber sie waren nun mal da.  Das war auch das Problem der Ehe, dass beide Parteien ihr eigenes künstlerisches und menschliches Programm im Kopf hatten. Deshalb hat die Ehe ja auch nicht allzu lange gehalten.“

Neues Leben und neuer Name

Liese-Lotte verlässt die Familie, um als Schauspielerin und Sängerin in Berlin, Zürich und München durchzustarten. Sie hangelt sich von einem Engagement zum nächsten, tritt oft im Matrosenanzug auf und wird als „kühle Blonde aus dem Norden“ angekündigt. Dazu passend wählt Liese-Lotte auch ihren nordisch klingenden Künstlernamen: Lale Andersen.

Frauengeschichten: Lale Andersen
In Matrosenanzug. Bild: Kulturamt Bremerhaven

Als Lale Andersen das Lied von der Laterne – „Lili Marleen“ heißt es – zum ersten Mal singt, ahnt sie noch nicht wie, sehr dieses Lied ihr Leben beeinflussen wird. Der Text zu „Lili Marleen“ stammt vom Hamburger Autoren Hans Leip. Es ist das Abschiedslied eines Soldaten, der davon träumt, seine Freundin eines Tages unter einer Laterne wiederzutreffen. Mit ihrer tiefen, rauen Stimme singt Lale Andersen das Lied im August 1939 für eine Schallplatte ein.

 „Interessantes Datum: Das ist einen Monat vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Ganz wichtig. Das heißt, es ist also nicht direkt nach dem Krieg entstanden und auch nicht eingespielt worden, um als Soldatenlied verwendet zu werden.“, sagt Historiker Rüdiger Ritter. Die Schallplatte verkaufte sich zunächst ziemlich schlecht. Der große Durchbruch kommt erst zwei Jahre später – mitten im Zweiten Weltkrieg.

Fans an beiden Fronten

Nicht nur bei deutschen Soldaten, auch auf der anderen Seite der Front wird „Lili Marleen“ zum Hit. Französische, amerikanische, englische Soldaten – alle summen mit. Bis Lale Andersens Stimme verstummt. Die Nazis fangen Briefe von Lale Andersen an Schweizer Juden ab. Auch hält sie an ihrer Beziehung zum jüdischen Komponisten Rolf Liebermann fest. Lale Andersen bekommt Auftrittsverbot und „Lili Marleen“ wird aus dem Programm verbannt. Doch Lied und Sängerin sind zu berühmt. Die Alliierten fragen sich, was mit Lale Andersen passiert ist. Es geht das Gerücht um, sie sei in ein Konzentrationslager gebracht wurden. Das wollen die Nazis nun doch nicht so stehenlassen.

Sie war aber zu bekannt als dass man sie jetzt wegsperren oder mundtot machen oder wirklich ins KZ hätte bringen können.

Bremerhavener Historiker und Musikwissenschaftler Rüdiger Ritter

„Dann hat man sie wieder ins Programm reingenommen. Sie war aber zu bekannt als dass man sie jetzt wegsperren oder mundtot machen oder wirklich ins KZ hätte bringen können.“, sagt Rüdiger Richter. Nach dem Ende der Naziherrschaft darf Lale Andersen wieder frei auf der Bühne stehen. Sie singt vor alliierten Soldaten im besetzten Nachkriegsdeutschland.

„Der Himmel hat viele Farben – Leben mit einem Lied“ heißt dann auch Lale Andersens Autobiografie. Das Buch erscheint 1972 – nur ein halbes Jahr vor ihrem Tod. „Lili Marleen“ hat Millionen Menschen Trost gespendet. Für Lale Andersen war das Lied Fluch und Segen zugleich. Daran erinnert bis heute eine kleine Laterne in Bremerhaven-Lehe. 

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 30. September 2023, 13:40 Uhr

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