Frauengeschichte(n) aus unserer Region Schreiben statt Haushalt – das mutige Leben der Sophie Gallwitz

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Collage von Sophie Dorothea Gallwitz, im Hintergrund ein historisches Bild einer schreibenden Journalistin
Bild: Staatsarchiv Bremen/dpa | Everett Collection

In einer Zeit, in der Frauen nur selten einen Beruf hatten, nahm Sophie Gallwitz ihr Schicksal selbst in die Hand: Als Literaturkritikerin setzt sie sich mit der Kultur ihrer Zeit auseinander – und kann so ihren Lebensunterhalt selbst verdienen.

Collage von Sophie Dorothea Gallwitz, im Hintergrund ein historisches Bild einer schreibenden Journalistin

Sophie Gallwitz: Emanzipierte Kulturjournalistin und Opernsängerin

Sophie Dorothea Gallwitz nahm ihr Schicksal selbst in die Hand. In einer Zeit, in der Frauen nur selten einen Beruf hatten, verdient sie sich ihren Lebensunterhalt selbst.

Bild: Staatsarchiv Bremen/dpa | Everett Collection

Als Sophie Dorothea Gallwitz 1900 nach Bremen kommt, hat die gebürtige Wernigeroderin etwas, was die meisten Frauen aus dem Bürgertum nicht haben: einen Beruf. Zu diesem Zeitpunkt ist sie Ende 20, hat eine Ausbildung als Opernsängerin gemacht, hat bereits auf verschiedenen deutschen Bühnen gestanden und tritt nun ein Engagement am Theater an. Zur Musik habe sie früh gefunden, sagt die Kulturwissenschaftlerin Christine Holzner-Rabe: "Sie ist eine Pastorentochter und in diesen Haushalten wird immer musiziert." Deswegen könne man vermuten, dass ihre Liebe zur Musik tatsächlich aus dem Elternhaus kam.

Aber nicht nur, dass sie überhaupt arbeitet, war außergewöhnlich: In dieser Zeit dürfen bürgerliche Frauen höchstens Lehrerinnen werden – aber auf keinen Fall Opernsängerin. Dass Sophie Gallwitz einen anderen Weg gehen kann, hat sie wohl auch ihrer Charakterstärke zu verdanken, sagt die Kulturwissenschaftlerin: Sie sei sehr selbstbewusst gewesen und habe sich wenig um Konventionen geschert.

Sie hat eigentlich immer das gemacht, was sie wollte, wozu sie Lust hatte.

Kulturwissenschaftlerin Christine Holzner-Rabe über Sophie Gallwitz

Karrierewechsel mit Ende 30

Mit 38 Jahren beschließt sie, noch einmal den Beruf zu wechseln. Sie kann nämlich auch gut schreiben und ist sehr belesen. Und ihre Vorbildung als Musikerin kann sie jetzt nutzen, um Kritikerin zu werden. Sophie Gallwitz macht sich später als Kulturjournalistin für mehrere Bremer Tageszeitungen einen Namen.

Aber nicht nur Musikkritiken sind ihr Ding: Sie verfasst auch Artikel für die Zeitschrift "Die Frau", in denen sie für Chancengleichheit von Männern und Frauen plädiert. Sie selbst lebt das schon in vieler Hinsicht aus: Nicht nur, weil sie für ihren eigenen Lebensunterhalt sorgt, sondern auch, weil sie nicht heiratet – so wie es von einer bürgerlichen Frau erwartet wird. Stattdessen lebt sie mit ihrer Freundin, der jüdischen Musikpädagogin Margarethe Wolff, zusammen.

Die Wahlheimat wird zum Buchthema

Sophie Gallwitz ist aber auch geschichtlich interessiert und beginnt, Bücher über ihre Wahlheimat im Norden zu schreiben: Über Worpswede und seine Künstlerinnen und Künstler, aber auch über Bremen. Die Bücher tragen Titel wie "Lebensgeschichte einer Stadt", "Das schöne Bremen", "Lebenskämpfe der alten Hansestadt".

Die Bücher seien sehr unterhaltsam, sagt Kulturwissenschaftlerin Holzner-Rabe. Aber Sophie Gallwitz erntet auch viel Kritik: Es gebe darin Ungenauigkeiten, heißt es von einigen Seiten. Manche finden außerdem, eine Nicht-Bremerin könne weder die Bremer Mentalität nachempfinden noch die Bremische Geschichte zusammenfassen. Sophie Gallwitz interessieren die Angriffe nicht – sie macht trotzdem weiter und lässt sich nicht einschüchtern.

Von der Kulturjournalistin zur Paula-Expertin

Außerdem hat sie einen einflussreichen Unterstützer: den Bremer Kaffee-Kaufmann Ludwig Roselius. Er macht Sophie Gallwitz zur Herausgeberin seiner Kulturzeitschrift "Die Güldenkammer", die einmal im Monat erscheint. Darin veröffentlicht sie auch Schriften der 1907 verstorbenen Künstlerin Paula Modersohn-Becker. Erst wegen ihr wird die heute bekannte Malerin von der Öffentlichkeit entdeckt – auch von Ludwig Roselius, der ihr später ein Museum widmet. 1917 veröffentlicht Sophie Gallwitz auch eine Sammlung von Briefen und Tagebucheinträgen der Worpsweder Künstlerin. Im Vorwort des Buches schreibt sie: "Von der äußerlichen Persönlichkeit Paula Modersohn-Beckers hat mir das Leben nur einen flüchtigen Eindruck gegönnt. Es war im Sommer 1907 in Worpswede in einer heiteren Geselligkeit. Sie weilte da für eine kurze Zeit und mir blieb von ihr das Bild einer feinen, jugendlich fraulichen Anmut. Ein stilles Glücklichsein umwehte ihre Erscheinung, sie sprach wenig und auch noch in der lebhaften Rede behielt ihr Auge immer eine nach innen gerichtete Sammlung."

Von der äußerlichen Persönlichkeit Paula Modersohn-Beckers hat mir das Leben nur einen flüchtigen Eindruck gegönnt. Es war im Sommer 1907 in Worpswede in einer heiteren Geselligkeit. Sie weilte da für eine kurze Zeit und mir blieb von ihr das Bild einer feinen, jugendlich fraulichen Anmut. Ein stilles Glücklichsein umwehte ihre Erscheinung, sie sprach wenig und auch noch in der lebhaften Rede behielt ihr Auge immer eine nach innen gerichtete Sammlung.

Sophie Gallwitz in einem Vorwort publizierter, gesammelter Tagebucheinträgen und Brifen von Paula Modersohn-Becker

1948 stirbt Sophie Dorothea Gallwitz mit 84 Jahren in Quelkhorn bei Fischerhude - wo sie nach dem Zweiten Weltkrieg ein kleines Haus hat. Ihr Buch über Paula Modersohn-Becker wird bis 1957, also weit über ihren Tod hinaus, verlegt.

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 28. Oktober 2023, 13:40 Uhr

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