Frauengeschichte(n) aus unserer Region Wie diese Frau ein Schiff vor dem Untergang rettete
Standdatum: 28. Oktober 2024.
Frauen an Bord bringen Unglück? Margaretha Meinders beweist das Gegenteil. Sie navigiert einen Dreimaster bis nach Melbourne und wird dort als Heldin gefeiert.
Es ist der 22. Juli 1890: Im australischen Melbourne erscheint die neuste Ausgabe der Morgenzeitung "The Argus". Ein Artikel darin dreht sich um ein deutsches Schiff: Der Dreimastschoner "Johanna" hat am Vortag den Hafen der Stadt erreicht – und zwar nur mit knapper Not, wie der "Argus" berichtet:
Wäre die Frau des Kapitäns nicht gewesen, hätte die Besatzung es nicht geschafft, denn sie hat beim Pumpen, beim Setzen und beim Bergen der Segel geholfen – genau wie ein Mann.
Morgenzeitung "The Argus"
Die "Frau des Kapitäns" ist die 28-jährige Margaretha Meinders. Sie hat eine wahre Odyssee hinter sich gebracht, seit sie zuletzt in ihrem Heimathafen war.
Überfahrten mit Komplikationen
Margaretha Meinders stammt aus Papenburg, einer emsländischen Stadt mit vielen Werften und langer Schiffbau-Tradition: Mitte des 19. Jahrhunderts ist sie Heimathafen von rund 250 Hochseesegelschiffen. Eines davon ist der Schoner "Johanna", auf dem Margarethas Gatte Hermann Meinders der Kapitän ist. Wie viele Kapitänsfrauen aus Papenburg begleitet Margaretha ihren Mann auf seinen Fahrten über die Weltmeere.
Als sie Anfang 1890 wieder einmal mit an Bord geht, ist auch die gemeinsame Tochter Susanne mit dabei, zu diesem Zeitpunkt drei Jahre alt. Margaretha hat keine Seefahrtsschule besucht, Frauen sind dort nicht geduldet. Für viele Kapitänsfrauen gilt aber: learning by doing. "Nebenbei lernten sie, den Sextanten zu bedienen und ein Schiff zu steuern", sagt die Historikerin Christine Holzner-Rabe. "Sie kannten letztendlich alle Abläufe, die auf so einem Segelschiff notwendig waren.
Erst kommt das Fieber – dann der Sturm
Auf Reise nach Melbourne gibt es zunächst keine besonderen Vorkommnisse. Das Ehepaar Meinders mit Tochter und achtköpfiger Crew umsegelt Afrika und gelangt nach Mauritius. Dort wird die "Johanna" mit Zucker beladen und nimmt Kurs auf Melbourne. Doch kurz darauf erkrankt der Schiffsjunge an einem lebensbedrohlichen Fieber. Wenig später liegt die gesamte Besatzung darnieder – nur Margaretha und Susanne bleiben gesund. Am 24. April 1890 sind zwei der Matrosen bereits gestorben, als das Schiff plötzlich in einen schweren Sturm gerät.
Weitere Stürme folgen, immer wieder spült Wasser an Deck, das abgepumpt werden muss. Dazu ist allerdings nur der noch nicht ganz genesene Steuermann halbwegs in der Lage. Margaretha muss bei der schweren Arbeit mit anpacken: Sie pumpt fortwährend und übernimmt zeitweise auch das Steuer.
Auf Befehl des kranken Kapitäns wuchten Margaretha und der Steuermann einen Teil der Zuckersäcke über Bord, um das Schiff zu retten. Außerdem kümmert sich die junge Frau mit um die Segel und – nach dem Tod des Kochs – auch noch um die Kombüse. Sie und alle Überlebenden sind völlig entkräftet, als endlich West-Australien in Sicht kommt. Die "Johanna" kann in den Hafen von Fremantle einlaufen. Dort werden die Kranken versorgt und das Schiff repariert. Als der Kapitän wieder genesen scheint, geht die Reise weiter mit Kurs auf Melbourne.
Zum Trauern keine Zeit
Doch schon nach zwei Tagen kommt Hermann Meinders Fieber zurück und er stirbt am 2. Juli 1890. Zum Trauern hat Margaretha jedoch keine Zeit, denn das Schiff gerät schon wieder in schwere See, die junge Frau muss erneut an und unter Deck mit anpacken. Schließlich schafft sie es gemeinsam mit dem Steuermann, den Dreimaster bis nach Melbourne zu navigieren. "Sie ist dann von der Reederei belobigt worden, als See-Heldin schon in Australien gefeiert, und ist dann zurück nach Papenburg", sagt Christine Holzner-Rabe. "Dort gibt es als Erinnerungsdenkmal einen Anker, der aufgestellt worden ist. Und sie ist aber dann nach Bremen übergesiedelt."
Margaretha Meinders heiratet nicht wieder und fährt darum vermutlich auch nicht mehr zur See. 1935 stirbt die mutige Kapitänsfrau im Alter von 73 Jahren in Bremen, wo heute noch ihr Grab auf dem Riensberger Friedhof an sie erinnert. Seit 2010 ist es offizielles Kulturdenkmal der Hansestadt Bremen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 28. September 2024, 13:40 Uhr