Im Porträt Kritik an der Psychiatrie: Lea De Gregorio fordert mehr Mitbestimmung

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An einem Punkt ihres Lebens ging es Lea De Gregorio so schlecht, dass sie sich in eine psychiatrische Klinik begeben hat. Dort hoffte sie auf Heilung – und wollte doch wieder gehen. Denn in der Psychiatrie entschieden und sprachen plötzlich andere für sie. Heute spricht sich Lea De Gregorio für mehr Mitbestimmung der Patienten aus.

Gesprächszeit Unter Verrückten: Lea De Gregorio war in der Psychiatrie

Lea de Gregorio hat Hilfe in der Psychiatrie gesucht. Aber dort entschieden und sprachen plötzlich andere für sie. Sie fordert mehr Mitbestimmung für Patienten.

Lea De Gregorio war 20 als sie das erste Mal in der Psychiatrie war. "Gedanken haben mich wachgehalten, ich habe sehr viel nachgedacht und habe keinen Schlaf mehr gefunden", erinnert sie sich. Lea de Gregorio scheiterte daran, das Chaos in ihrem Kopf zu ordnen und fing an, ihre Umwelt symbolisch zu deuten: "Da alles so bedeutungsschwer und symbolisch wirkte, fragte ich mich, was im Leben vorherbestimmt ist oder ob es so was wie einen freien Willen gibt."

Man sieht gleich, das ist ein Ort, wo Leute eingesperrt sind.

Lea de Gregorio über ihren ersten Eindruck von der Psychiatrie

In ihrem Leben ging plötzlich nichts mehr. Der fehlende Schlaf zerrte an den Nerven, Ängste stellten sich ein. Anfangs dachte De Gregorio noch, dass sie bei ihren Eltern zur Ruhe kommen könnte, doch schnell war ihr klar, dass sie ohne professionelle Stütze nicht weiterkommt. "Ich wollte Hilfe!", sagt sie. Aber in der Psychiatrie fiel ihr als erstes ein vergitterter Balkon auf, auf dem Patientinnen und Patienten geraucht haben: "Man sieht gleich, das ist ein Ort, wo Leute eingesperrt sind."

Sie fühlte sich ausgeliefert

Lea De Gregorio wurde wegen Selbstgefährdung untergebracht. Dann stellte sie fest, dass mit der klinischen Diagnose plötzlich Andere über sie bestimmten. "Mit dem Begriff 'psychisch krank' ist auch ein Machtgefälle verbunden", so De Gregorio. "Ärzte, Ärztinnen haben quasi die Deutungshoheit". Aber Betroffene wie sie sehen ihre Geschichte oft anders, findet die 32-Jährige. Und dieser Wahrnehmung werde in der Psychiatrie zu wenig Raum gegeben, kritisiert sie heute. Denn als sie wieder gehen wollte, durfte sie nicht. Sie wurde gezwungen, zu bleiben.

Ich will nicht noch mal verrückt werden!

Einen Weg zurück in die Psychiatrie kann sich Lea de Gregorio gerade nicht vorstellen

Lea De Gregorio ist 1992 geboren und in einem hessischen Dorf aufgewachsen. Volontiert hat die Journalistin beim "Amnesty Journal" – heute arbeitet sie als freie Journalistin für die "Zeit", "Deutschlandfunk Kultur" und andere Medien. Ein einsamer Job, findet sie manchmal: "Man hat keine Kolleginnen und Kollegen. Auch wenn man viel mit Menschen für Interviews spricht, ist man viel auf sich alleine gestellt im Alltag." Auf der anderen Seite schätzt sie die freie Zeiteinteilung und die Möglichkeit, sich Themen selbst setzen zu können. Denn Lea De Gregorio weiß heute auch, dass sie sensibler für Umwelteinflüsse ist als andere. Sie weiß, dass sie auf ihren Schlaf achten muss und hat für sich entschieden, keinen Alkohol mehr zu trinken. "Ich will nicht noch mal verrückt werden", sagt sie heute.

Bin ich anders?

Lea De Gregorio war mehrmals in der Psychiatrie. Sie erinnert sich, dass sie sich wegen ihrer Aufenthalte dort selbst abgewertet hat: "Wenn man so eine Diagnose irgendwann mal bekommen hat, fragt man sich immer wieder: Bin ich eigentlich anders?" Am Ende haben ihr Verhaltenstherapien und Achtsamkeitstrainings geholfen, um mit ihrer "Verrücktheit", wie sie es selbst nennt, umzugehen.

Ich denke, dass wir unbedingt Orte brauchen, wo Menschen hingehen können.

Lea de Gregorio hofft auf eine andere psychiatrische Hilfe in der Zukunft

Und trotz ihrer Kritik am Machtgefälle in Psychiatrien, an Behandlungsmethoden und dem Ausgeliefertsein will sie nicht missverstanden werden: "Ich denke, dass wir unbedingt Orte brauchen, wo Menschen hingehen können in Krisen, und wo ihnen geholfen wird." Lea de Gregorio hat es geschafft, ihre Gedanken zu ordnen und hat ein Buch über ihre Erfahrungen in der Psychiatrie geschrieben: "Unter Verrückten sagt man Du" ist in diesem Frühjahr bei Suhrkamp erschienen.

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 13. Mai 2024, 18:05 Uhr

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