Im Porträt Gibt es toxische Weiblichkeit, Sophia Fritz?

Autorin

Porträt der Autorin Sophia Fritz
Sophia Fritz Bild: Marion Koell

Toxische Männlichkeit kennt inzwischen jeder – doch das Phänomen "toxische Weiblichkeit" ist noch nahezu unerforscht. Autorin Sophia Fritz legt mit ihrem gleichnamigen Buch den Finger in die klaffende Wunde und seziert weibliche Verhaltensweisen, die schädlich sind – für uns und andere.

Porträt der Autorin Sophia Fritz

Gesprächszeit Was ist toxische Weiblichkeit, Sophia Fritz?

Sophia Fritz ist Autorin, Sterbebegleiterin und Tantramasseurin. In ihrem Essay "Toxische Weiblichkeit“ plädiert sie für ein neues feministisches Miteinander.

Bild: Marion Koell

Das gute Mädchen, die Powerfrau, die Mutti, das Opfer und die Bitch – an diesen Rollen arbeitet sich Sophia Fritz in ihrem Buch "Toxische Weiblichkeit" ab. Die Autorin selbst hat große Anteile des "guten Mädchens" in sich. Das heißt, sie ordnet sich häufig unter, sagt ungern "Nein" und will es allen möglichst rechtmachen. Aber je nach Situation und Rolle spürt Fritz auch immer wieder andere Anteile in sich. Sie bemuttert oder lästert, um sich über andere zu erheben.

Was schadet und was bringt Vorteile?

Laut Fritz schadet ein solches Verhalten nicht nur dem Umfeld, sondern oft auch den Frauen selbst. Trotzdem möchte sie nicht, dass ihr Buch als Appell verstanden wird, sofort sämtliche Facetten toxischer Weiblichkeit abzuschaffen. Stattdessen geht es ihr darum, sich der Verhaltensmuster bewusst zu werden und sie zu hinterfragen: "Mir geht es darum, dass wir sowohl die schmerzhaften Stellen anerkennen, im Sinne von: Wo schade ich mir und meinem Gegenüber damit? Und was sind aber auch die Ressourcen und die Vorteile von dieser Prägung?"

Wenn der Titel so ein Unbehagen auslöst, dann müssen wir uns den aneignen.

Sophia Fritz über den Begriff "Toxische Weiblichkeit"

Mit dem Titel "Toxische Weiblichkeit" provoziert Sophia Fritz bewusst. Auch bei ihr selbst hat der Begriff zunächst Abwehr ausgelöst. Gerade das habe sie aber dazu bewogen, sich mit diesem Phänomen auseinanderzusetzen, erzählt sie: "Ich dachte, wenn der Titel so ein Unbehagen auslöst, dann müssen wir uns den aneignen und anschauen, was dahintersteckt."

Sie geht den Dingen auf den Grund

Sophia Fritz‘ Lebensmotto ist ohnehin, sich einfach allen Dingen zu stellen, die ihr Angst machen oder Widerstand in ihr hervorrufen. Im zarten Alter von 16 Jahren findet sich die Jugendliche auf einem Infoabend im Hospiz wieder. Denn weil sie ja sowieso irgendwann sterben muss, kann sie sich ja auch gleich mit dem Tod auseinandersetzen, dachte sie. Auch nach dem Abitur sucht Fritz weiter nach Grenzen, die sie austesten und überschreiten kann: "Ich dachte: Was ist das Krasseste, was ich machen kann?"

Sterbebegleiterin, Sexualbegleiterin und Tantra-Masseurin

Sie geht nach Bolivien, um für ein Jahr in einem Waisenhaus zu arbeiten – ohne jemals dort gewesen zu sein oder ein Wort Spanisch zu sprechen. Mutig könnte man sagen – Sophia Fritz nennt das rückblickend auch naiv. Sie stürzt sich gern in Dinge, ohne sich vorher alle möglichen Schreckensszenarien auszumalen. Nach dem Auslandsjahr bleibt Sophia Fritz lern- und lebenshungrig: Sie studiert Drehbuchschreiben und absolviert eine Reihe von Ausbildungen. Heute ist sie nicht nur Autorin, sondern auch Sterbebegleiterin, Sexualbegleiterin und Tantra-Massage-Therapeutin.

Jedes Mal kurz vor einer Zweierübung ist ein kurzer Fluchtimpuls da – weil es um Intimität geht.

Sophia Fritz über

Ganz aktuell schult sie sich außerdem in "Holistic Body Work" – einer ganzheitlichen Körperarbeit mit Elementen aus dem Coaching, der Physio- und Traumatherapie. Trotz all dieser Erfahrungen kennt Sophia Fritz nach wie vor auch Hemmungen in der Arbeit mit Menschen: "Jedes Mal kurz vor einer Zweierübung ist da so ein kurzer Fluchtimpuls da – weil es um Intimität geht und weil ich der anderen Person vertrauen muss und weil ich mir vertrauen muss."

Jeder Körper ist für mich verehrbar, weil das ein Mensch ist, der lebt.

Sophia Fritz über ihre Arbeit als Tantra-Masseurin

Die Arbeit als Tantra-Massage-Therapeutin hält sie aber für wichtig. Beim Tantra geht es für Fritz um eine Verehrung des Körpers und um absichtslose Berührung. Dabei soll kein bestimmtes Ziel – wie zum Beispiel ein Orgasmus – erreicht werden, sondern alle Empfindungen sind erlaubt: Trauer, Erschöpfung, Lust. Durch die klare Rollenverteilung beim Tantra bekommt die Person, die berührt wird, außerdem die Möglichkeit, sich zwei Stunden nur auf sich selbst zu konzentrieren und sich selbst zu spüren: "Jeder Körper ist für mich verehrbar, weil das ein Mensch ist, der lebt. Und weil ich das auch total mutig finde von dieser Person, zu kommen und sich berühren zu lassen von einer Person, die sie nicht kennt."

Ich stehe noch ganz am Anfang mit allem.

Wie Sophia Fritz ihre Lebenserfahrung einschätzt.

All diese verschiedenen Talente und Erfahrungen teilt Sophia Fritz gern mit der Öffentlichkeit – weil es ihr leichtfällt, sie wenig Energie und wenig Überwindung kostet. Außerdem bekommt sie viel positives Feedback und erlebt immer wieder, dass sich andere in ihren Gedanken wiederfinden können. Gleichzeitig setzt Fritz auch klare Grenzen. Vor allem online achtet sie genau darauf, was sie postet. Intimes ist tabu – dazu gehören Beziehungen und Verletzlichkeiten. Trotz der vielfältigen Erfahrungen mit sich und dem Leben fühlt sich die 27-Jährige aber noch lange nicht fertig. "Ich stehe noch ganz am Anfang mit allem", sagt sie.

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Gesprächszeit, 7. November 2024, 18:05 Uhr

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