Frauengeschichte(n) aus unserer Region Was ein Holztisch über Bremens erste Anwältin verrät

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Historische Aufnahem zweier Frauen, die an einem Tisch sitzen
Bild: Privatarchiv Dr. Marianne Bulling

Heute könnte das Wirken von Emmalene Bulling den Hashtag #femaleempowerment tragen. 1929 war sie Bremens erste Anwältin und setzte sich in den Folgejahren vor allem für Mütter, berufstätige Frauen und Menschen mit wenig Einkommen ein. Jana Wagner hat sich auf Spurensuche begeben.

Historisches Schwarz-weiß-Porträt einer Frau

Frauengeschichte(n) aus unserer Region Frauengeschichte(n) aus der Region: Bremens erste Anwältin

Emmalene Bulling gelingt in den 1920er Jahren das zuvor Unmögliche: Sie wird Juristin. Bremens erste Anwältin engagiert sich vor allem für Mütter und berufstätige Frauen.

Bild: Privatarchiv Dr. Marianne Bulling

Wer war die erste Rechtsanwältin in Bremen? Das fragte sich Redakteurin und Historikerin Christine Bartlitz vor rund 25 Jahren für ein Uni-Seminar. Für eine Antwort hat sie sich durch Akten gewühlt und Dokumente ausgegraben – um schließlich auf Emmalene Bulling zu stoßen. Deren Schwester Marianne lebt zu dieser Zeit noch. "Zu ihr habe ich dann Kontakt aufgenommen und war dann mehrfach bei ihr zu Hause. Sie hat mir sehr viel über ihre Schwester erzählt."

Universität ja, Staatsexamen nein

Geboren ist Emmalene Bulling unter dem Namen Emma Magdalene Bulling im Jahr 1900. Sie wächst in einer Akademiker-Familie auf: Ihr Vater ist Rechtsanwalt, ihre beiden Schwestern studieren Medizin. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts können Frauen zwar an Universitäten gehen, doch das juristische Staatsexamen dürfen sie da noch nicht ablegen. Das habe viele Frauen vom Jura-Studium abgehalten, sagt Christine Bartlitz: "Sie durften studieren, und sie durften das Studium mit der Promotion beenden. Aber sie waren nicht berechtigt, Rechtsanwältin, Staatsanwältin, Richterin zu werden."

Emmalene studiert daher zunächst Philosophie und Nationalökonomie. Doch sie strebt nach mehr, will Rechtsanwältin werden, Menschen in Not helfen und für Gerechtigkeit kämpfen. Für Frauen um 1920 fast unmöglich.

Kein Beruf musste von den Frauen so sehr erkämpft werden wie der Beruf der Juristin. Da ging es um den Staat, und der Staat wurde immer männlich gedacht.

Christine Bartlitz, Historikerin

Im Juli 1925 wechselt Emmalene Bulling zu Jura. Ab diesem Zeitpunkt können auch Frauen ihre Staatsprüfung ablegen. Eine Anstellung nach dem Studium bekommt sie als Frau aber nicht. Deswegen eröffnet sie mit einem Kollegen in der Bremer Altstadt eine eigene Kanzlei.

Auf Augenhöhe am Holztisch

Historisches Schwarz-weiß-Porträt einer Frau
Bild: Privatarchiv Dr. Marianne Bulling

Ein Foto aus dieser Zeit zeigt Emmalene Bulling an ihrem Schreibtisch: Ihre Hände liegen gefaltet auf dem Tisch, sie ist leicht nach vorne gebeugt und schaut ihrer Mandantin in die Augen. Für die Historikerin Bartlitz ein Bild, das viel verrät: "Wenn man sich sonst Anwaltbüros anguckt, ist der Schreibtisch riesig groß, teilweise holzgeschnitzt. Das drückt Macht aus. Dieses Foto zeigt einen ganz einfachen Holztisch. Beide sitzen sich gegenüber und das, finde ich, das sagt sehr, sehr viel. Das erzählt viel über Augenhöhe."

Auf Augenhöhe zu helfen – auch denen, die sich sonst keine Unterstützung leisten können – das ist etwas, das sich durch Emmalenes Leben zieht: "Ihre Schwester hat erzählt, dass sie mit ganz vielen Mandanten fast freundschaftliche Kontakte hatte, dass sie ohne Geld für manche gearbeitet hat. Das ist das eine. Und das andere ist, dass sie sich immer für die Rechte der Frauen engagiert hat."

Einst Adresse für Frauenrechte: Ostertorstraße 25

Sie leitet die Rechtsschutzstelle im Bund für Mutterschutz und Sexualreform in der Ostertorstraße 25 und gibt kostenlose Rechtsberatung. Ein wichtiger Ort für die Frauenbewegung, sagt Christine Bartlitz. Emmalene Bulling vernetzt sich mit anderen Frauen – wie der Pädagogin Rita Bardenheuer und der Frauenrechtlerin Auguste Kirchhoff. Alles unter dem Motto: Bildet Banden!

1951 gründete die Anwältin mit anderen Frauen den Deutschen Verband berufstätiger Frauen in Bremen. Wenige Jahre später stirbt sie im Alter von 59 Jahren. In Bremen-Blumenthal erinnert heute eine kleine Straße an die erste Anwältin Bremens. Rund 150 Meter lang. Für Christine Bartlitz ein Grund zur Freude: "Es ist ein tolles Gefühl, wenn so was von der Arbeit als Historikerin bleibt."

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 19. November 2022, 13:40 Uhr

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