Was macht die Kunst? Der Heilige Martin und der Bettler von El Greco

El Greco, Heiliger Martin mit Christus als Bettler, 1942
Das Gemälde Der Heilige Martin und der Bettler von El Greco (1597/1599). Zu sehen ist es in der National Gallery of Art in Washington, DC.

Was macht die Kunst? Der Heilige Martin und der Bettler von El Greco

In den USA stehen sich mit Donald Trump und Joe Biden ein potentieller Autokrat und ein Demokrat im Wahlkampf gegenüber. Joe Bidens Rezept gegen den Trumpismus hieß in den vergangenen vier Jahren: Bidenomics, Investitionen in Infrastruktur, Arbeitsplätze, Sozialleistungen. Die Frage ist: Kann sozialer Ausgleich eine Gesellschaft kitten? Die Idee, zwischen Arm und Reich auch ganz materiell zu vermitteln, ist alt, sagt die Kunsthistorikerin Kia Vahland. Und hat ein Bild des Heiligen Martin mit Bettler mitgebracht, das der Grieche El Greco kurz vor 1600 im spanischen Toledo gemalt hat.

Bild: Radio Bremen

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El Greco, Heiliger Martin mit Christus als Bettler, 1942
Das Gemälde "Der Heilige Martin und der Bettler" von El Greco (1597/1599). Zu sehen ist es in der National Gallery of Art in Washington, DC. Bild: Radio Bremen

In den USA stehen sich mit Donald Trump und Joe Biden ein potentieller Autokrat und ein Demokrat im Wahlkampf gegenüber. Die amerikanische Gesellschaft ist tief gespalten. Die Frage ist: Kann sozialer Ausgleich eine Gesellschaft kitten? Die Idee, zwischen Arm und Reich auch ganz materiell zu vermitteln, ist alt, sagt Kia Vahland. Das zeigt ein Bild des Heiligen Martin, gemalt von El Greco.

Der Sozialstaat mit Bürgergeld, Kindergeld, Pflegeversicherung ist eher jung. Aber der Anspruch, niemanden zurückzulassen, ist viel älter. Die Idee des sozialen Ausgleichs wurzelt im Christentum wie in der Arbeiterbewegung, sie vereint Impulse der Aufklärung mit denen der sozialen Marktwirtschaft. Man kann den Sozialstaat also aus ganz unterschiedlichen Geisteshaltungen heraus verteidigen. 

Im Mittelalter bis etwa 1300 prahlte man als Privatperson besser nicht mit Reichtum. Es gehörte zum guten Ruf, viel zu spenden – spätestens kurz vor dem Tod an die Kirche oder an Arme, um dann im Jenseits besser dazustehen. Mit dem Beginn des Banken- und Kreditwesens konnten auch einzelne Bürger durch Spekulation sehr reich werden und sie zeigten das auch gerne. Das Bescheidenheitsideal erodierte. Viele Maler aber blieben den alten christlichen Motiven treu, sie führten Barmherzigkeit und Großzügigkeit vor Augen. Ein Beispiel ist der Heilige Martin, der seinen Mantel mit einem Bettler geteilt haben soll und erst später erfuhr, dass hinter diesem Jesus steckte.

El Greco malte sein Gemälde vor über 400 Jahren. Er stellt Arm und Reich als letztlich gleichrangig dar. Sein Heiliger Martin sitzt hoch oben auf einem Ross, aber er ähnelt dem schlanken, jungen nackten Bettler, mit dem er sein grün glänzendes Manteltuch teilt. Die Rollen könnten auch vertauscht sein. Die beiden Männer reden nicht und sie berühren einander nicht, aber sie scheinen gemeinsam mit dem weißen Ross einen Tanz unter dem dunklen Gewitterhimmel nahe Toledo aufzuführen. Sie beschenken sich gegenseitig mit ihrer Anwesenheit. Reich zu sein ist bei El Greco kein Grund für Hochmut, arm zu sein keiner für Scham. Man teilt einfach deshalb, weil man sich zufällig am selben Ort zur selben Zeit aufhält - im Wissen, dass es Zufall ist, ob man hochgeboren ist oder von zuhause aus wenig Möglichkeiten hatte.

El Greco war ein Künstler aus Kreta, der sehr spirituell malte, mit viel Farbeinsatz, gewittrigen Himmeln, langgedehnten Figuren. Später sollten die Expressionisten sich auf ihn beziehen, weil er manchmal schon fast abstrakte Formen fand. Inhaltlich aber war er ein konservativer Christ, den alten Werten verpflichtet.

Autor/Autorin

  • Kia Vahland

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Gesprächszeit mit Tom Grote

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