Was macht die Kunst? Abend über Potsdam von Lotte Laserstein

Lotte Laserstein, Abend über Potsdam, 1930, Öl auf Holz, 111 x 205,7 cm,
Lotte Laserstein, Abend über Potsdam, 1930, Öl auf Holz, 111 x 205,7 cm

Was macht die Kunst? Abend über Potsdam von Lotte Laserstein

Ein klarer Wahlsieg für Donald Trumps in den USA, starke Rechtspopulisten auch in Europa: So viel politische Unsicherheit kann auch zuversichtliche Gemüter erschüttern. Unsere Kolumnistin Kia Vahland, Kunstkritikerin und Meinungsredakteurin bei der Süddeutschen, kennt ein Gemälde der deutschen Malerin Lotte Laserstein von 1930, das davon handelt: was es für Bürgerinnen und Bürger in Demokratien bedeutet, wenn die Zukunft ungewiss wird.

Bild: Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Roman März © VG Bild-Kunst, Bonn 2024

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Lotte Laserstein, Abend über Potsdam, 1930, Öl auf Holz, 111 x 205,7 cm,
Lotte Laserstein, Abend über Potsdam, 1930, Öl auf Holz. Zu sehen ist das Großformat in der Neuen Nationalgalerie in Berlin. Bild: Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Roman März © VG Bild-Kunst, Bonn 2024

Wir sehen eine Tischgesellschaft auf einem Balkon mit Aussicht über das wolkenverhangene Potsdam. Das Mahl ist verspeist, ein bisschen Obst und Brot liegt noch auf der weißen Decke. Eine Frau schenkt aus einem Tonkrug nach. In der Bildmitte stützt sich eine junge Frau auf ihre Unterarme und sinniert. Ein Mann wendet sich ihr zu, doch sein Blick geht ins Leere. Überhaupt sind hier alle mit sich beschäftigt, selbst der Hund unter dem Tisch schaut traurig aus. Eine hochgewachsene Frau links hat sich schon ausgeklinkt: Instabil auf nur einem Fuß steht sie am Balkongeländer und betrachtet die verhangene Dächerlandschaft mit den Kirchtürmen. Es ist ein Moment der Ungewissheit. 

Lotte Laserstein beschreibt in ihrem Bild das Gefühl, wie festgefroren zu sein im Lauf der Ereignisse, wenn man merkt, dass die Dinge in die falsche Richtung laufen und etwas Existenzielles verlorenzugehen droht. In ihrem Fall die Freiheit der Weimarer Zeit. Wirtschaftskrise und Inflation tobten 1930, rechte Gewalttaten und antisemitischer Hass nahmen zu. Noch aber gab es eine Demokratie in Deutschland, der Aufstieg des Nationalsozialismus hätte sich zu diesem Zeitpunkt noch stoppen lassen.

In dieser Woche nun hat der klare Wahlsieg eines notorischen Lügners und Zündlers zum US-Präsidenten viele Menschen tief erschüttert. Jene, die keine Autokratie, keine politische Gewalt wollen oder ertragen könnten, gestehen sich nun gerade ihre Sorge um die Demokratien ein.

Autor/Autorin

  • Kia Vahland

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